Montag, 25. Dezember 2017

Senegal und Gambia

Der 28.11.2017 ist ein besonderer Tag auf unserer Reise. Denn heute überschreiten wir ein weiteres Mal eine Grenze. Nicht nur die zwischen zwei Staaten, sondern auch eine gesellschaftspolitische und eine klimatische. Die Menschen im Senegal (so wie auch in Gambia) sind zwar mehrheitlich islamisch, aber es sind säkulare Staaten, was den Umgang mit vielen Dingen für uns leichter macht. So wie Alkohol zum Beispiel. Außerdem fällt gleich der Wechsel der Vegetation auf. Senegal markiert nämlich auch den Übergang von der trockenen, sandigen Sahelzone hin zur grünen, tropischen Feuchtsavanne. Der Boden ist nicht mehr beige, sondern ab jetzt ocker bis rotbraun. Die Luft ist nicht mehr trocken, sondern spürbar feuchter. Das extrem lebensfeindliche Klima der Wüste weicht einer üppigen und sichtbar fruchtbareren Landschaft.


Auf dem Damm nach Djawling

Das Tagesziel ist der Nationalpark Djawling, welcher direkt auf der Grenze zwischen beiden Ländern liegt. Wie wir erfahren sind wir seit vielen Jahren die erste Gruppe, der es gestattet wird, dort zu campen. Für derartige Rührseligkeiten bleibt uns aber leider keine Zeit auf der Fahrt dorthin, denn es ist die mit Abstand raueste Piste auf der gesamten Reise. Keine asphaltierte Straße führt in den Park, sondern nur ein Damm, der aus tief zerfurchter, knochenharter Erde besteht. Das pkw-feindliche Fahrbahnmuster wird ganz offensichtlich während der sommerlichen Regenzeit von den schweren Geländewagen in den schlammigen Grund gewalzt. Wer jetzt neugierig geworden ist, wie sich das wohl anfühlt, muss nur die eigene Familienkutsche nehmen, sich den nächstbesten, hartgefrorenen Acker suchen und mit fröhlichen 30 km/h einfach mal reinfahren. Nur Mut!

Einer der harmlosen Abschnitte

Unterwegs sehen wir sogar wieder größere Tiere wie beispielsweise Wildschweine und Kühe. Auch Menschen leben hier. Einige Male fahren wir an kleinen Fischfanggebieten vorbei, wo unter schwindeleregendem Gestank Fisch in der Sonne getrocknet wird. Wir entscheiden uns, nichts davon zu kaufen und fahren stattdessen schnell weiter, bevor das Bouquet maritimer Fäulnis seine halluzinogene Wirkung entfalten kann.

Abends im Park werden wir dann auch das erste Mal mit der bereits angekündigten Mückenproblematik konfrontiert, denn spätestens ab hier beginnt die Malariazone. Dass heißt: lange und helle Kleidung, Abwehrspray für die Haut und gelegentliches Selbstohrfeigen. Da wir aber außerhalb der Regenzeit sind, ist die Mückenplage nicht schlimmer als bei uns daheim im Sommer. Und da wir auf die extrem starken Nebenwirkungen keine Lust haben, gehen wir das Risiko ein und verzichten auf die prophylaktische Einnahme der Malariatabletten. Bei einem der Rallye-Teilnehmer konnten wir live beobachten, was die Inhaltsstoffe in Kombination mit der drückenden Hitze ausrichten können. Ich sag es mal so. Falls jemand Lust hat, sich auf das geistige Niveau eines Dreijährigen zurückzustufen, kann sich bei mir melden. Ich habe noch eine ganze Schachtel übrig.


St. Louis

Nach den überraschend schnell abgewickelten Zollformalitäten am Folgetag in Diama nehmen wir Kurs nach St. Louis. Das lebhafte und geschäftige Treiben in dieser Stadt ist das komplette Kontrastprogramm zu den vergangenen Tagen. Alles wirkt farbenfroher und lebensbejahender als die oft sehr eintönigen Ortschaften der Sahara. Trotzdem fällt schnell auf, dass der ehemaligen französischen Kolonialstadt das Geld fehlt. Die lokale Kleinfischerei scheint der einzige nennenswerte Wirtschaftszweig zu sein, wovon die unzähligen landestypischen Boote zeugen, die marodierend am Flussufer liegen und dort auf ihren Einsatz warten, um das Bisschen Fisch von der Küste zu holen, was die riesigen Trawler der Fischereigesellschaften noch übrig lassen.

Die Werft von St. Louis

Bunte Boote soweit das Auge reicht

In St. Louis haben wir zum ersten Mal Gelegenheit, die Menschen und die Kultur der Sub-Sahara (veraltet: Schwarzafrika) kennenzulernen. Französisch ist nach wie vor die beherrschende Sprache und die Einflüsse aus der Kolonialzeit sind überall noch erkennbar. Im Hotel du Palais, einem würdevoll gealterten Etablissement aus längst vergangenen Zeiten, bekommen wir vorzügliches Essen und kühles Bier. Viel lieber hätten wir uns hier ein Zimmer genommen. Nur leider war es uns aufgrund der Zollbestimmungen nicht erlaubt, die straßengenau vorgeschriebene Route mit dem Auto zu verlassen. Die Stadt durften wir also nur zu Fuß erkunden. Oder mit einer der fahrenden Selbstmordkabinen, die hierzulande nebenbei auch als Taxis dienen.

Kolonialromantik im Hotel du Palais

Wie ruft man eigentlich "Toooor!" auf französisch?

Unser Taxi ins Nirvana 

Kurz vor dem Ende

Wir haben nun beinahe 7.000 km Weg zurückgelegt und die Rallye, also sagen wir der fahrende Teil der Reise, neigt sich dem Ende entgegen. So wie auch viele Dinge, die wir unterwegs gesehen haben und auch noch sehen werden.

Als Kind des ehemaligen Ostblocks ist man den Anblick des Verfalls ja irgendwie gewöhnt. Aber bei uns kam wenigstens die Wende und alles fing von vorne an. Den Menschen hier bleibt nur das ewige Provisorium, das Halbfertige, das nie Vollendete. Weil immer nur gerade so viel Geld da ist, um das Bestehende ein kleines bisschen länger am Leben zu erhalten. Autos, Gebäude, Kleidung. Eine Gesellschaft, die sich das Wegwerfen eigentlich nicht leisten kann. Und paradoxerweise trotzdem im Müll zu versinken scheint.

Auf dem Weg in die Stadt 
Ehemalige Reportkabine im Fußballstadion in St. Louis

Werkstatt am Wegesrand
Langfristige Lebenspläne scheinen sich hier nur die wenigsten Menschen leisten zu können. Wichtig ist vor allem, wie man die nächsten Tage über die Runden kommt. Und weil der Staat keine große Unterstützung bieten kann, braucht man vor allem eins. Ein großes Netzwerk aus Freunden und Bekannten. Denn nur so meistert man hier die Herausforderungen des Alltags. Hier gibt es keine Verbraucherzentrale bei der man sich über die fehlenden Batterien für die Fernbedienung beschweren kann. Man kann sich auch die Zeit sparen, um nach einer Vertragswerkstatt für sein Auto zu suchen, um seine Serviceintervalle einzuhalten. Das Wasser aus dem Wasserhahn kann man nicht trinken und ich würde auch keinem empfehlen, ernsthaft krank zu werden.


The Gambia

Ja, wirklich. Die offizielle Bezeichnung des Landes, wo unsere Rallye ihr Ende findet, heißt The Gambia. So als gäbe es noch andere Gambien und dieses hier ist das einzig Wahre. So sehr lieben die Menschen ihr Land.

Würden wir vermutlich auch, wenn es nicht überall nach verbranntem Plastik riechen würde. Denn so wie es scheint, ist das die einzige bekannte Art, sich dem Problem anzunehmen. Man zündet es einfach an. Der beißende Gestank von langsam verkokelndem Kunststoff zieht in unsere Nase ab dem Moment, an dem wir in das Land einreisen. Genauer gesagt, nachdem wir den gleichnamigen Fluss, um dessen Verlauf sich das Land offensichtlich ausgedehnt hat, überquert haben. Und, was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, wird er uns auch begleiten bis wir das Land wieder verlassen.

Da unsere Fähre leider viel zu alt, zu klein und zu langsam war, hat es bis in die Nacht hinein gedauert, bis alle Fahrzeuge auf der anderen Seite angekommen waren. Und Gott sei Dank sind auch alle angekommen, denn darauf geschworen hätte niemand, der diese schwimmende Todesfalle live gesehen hätte. Aber wer schon mal Taxi im Senegal gefahren ist, hat vor nichts mehr Angst.

Gilt als unsinkbar, wurde uns gesagt
Bitten um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen

Das Blue Kitchen markiert die Ziellinie der Dresden-Dakar-Banjul-Rallye

Nach einer 200 km langen Nachtfahrt durch ein vermutlich traumhaft schönes, aber leider stockfinsteres Land, erreichen wir das Blue Kitchen (welches paradoxerweise gar nicht blau, sondern orange ist) in der Landeshauptstadt Banjul. Das Blue Kitchen ist ein Restaurant mit Biergarten, das einen Teil seiner Einnahmen an die Dresden-Banjul-Organisation (kurz: DBO) spendet, welche - in Partnerschaft mit der Rallye-Organisation - auch die Versteigerungserlöse unserer Fahrzeuge erhält. Essen und Trinken für einen guten Zweck? Da helfen wir doch gerne.


Mango Village

Nach einer kurzen Ansprache und einem Teller Spaghetti Bolognese entlässt man uns so gegen 1 Uhr morgens in die Wildnis der Großstadt. Unsere letzte Aufgabe des Tages besteht nun darin, in der vollständigen Abwesenheit von Straßenbeleuchtung und -beschilderung unser Bungalowdorf, das Mango Village, zu finden, in dem wir uns für die kommenden sechs Tage einquartiert haben. Was gar nicht so einfach ist, wenn die Zieladresse bei Google Maps falsch eingetragen ist und wir uns um ein paar hundert Meter verfahren. Und zu allem Überfluss auch noch einsanden. Ganz genau, wenige Minuten vor dem Ziel bleiben Tom und Sven nochmal im Sand stecken, womit über die hiesigen Straßenverhältnisse auch gleich alles gesagt ist.

Aber halb so schlimm, denn wir müssen nicht lange auf Hilfe warten. Freundliche Anwohner kommen sofort herbeigelaufen, schieben uns aus dem Sand und erklären sich sogar bereit, uns den Weg bis zum Mango Village zu zeigen. Da wir uns dort vorsorglich für spät abends angekündigt haben, wartet einer der Angestellten extra noch auf uns. Und kühles Bier bekommen wir auch noch. Langsam wird mir klar, warum Gambia auch The Smiling Coast genannt wird.


Happy Birthday Jackie

Am 1. Dezember feiern wir Geburtstag. Und zwar den von Jackie. Das ist die Frau von Brian. Und den beiden gehört das Mango Village. Ein kleiner Traum, den sie sich mit Hilfe ihrer britischen Rente verwirklicht haben.

Eingangsbereich im Mango Village 

Angelteich
Während wir auf der Party (übrigens mit leckerem Buffet und Live-Musik) allen anderen quasi als Ehrengäste vorgestellt werden, erfahren wir, dass Brian den größten Wels des Landes besitzt. Gar nicht so unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass Gambia das kleinste afrikanische Land ist (von den Inseln abgesehen). Aber ob das wirklich stimmt, werden wir nie erfahren und eigentlich ist es ja auch egal. Godzilla hat er ihn getauft und er soll vor allem die angellustigen Feriengäste anlocken. Das ganze Projekt ist nämlich nicht nur als reine Hotelanlage geplant, sondern auch als Fischzuchtunternehmen mit Gelegenheit zum kostenlosen Angeln.


Hilfsprojekte

Den Folgetag nutzen wir, um uns einige der Hilfsprojekte der DBO anzuschauen. Zuerst besuchen wir die Kundembo Krankenstation, die ihren Patienten kostenlose medizinische Versorgung ermöglicht. Auch eine Näherei gehört dazu, wo junge Frauen das entsprechende Handwerk lernen können. Nach einem kleinen Rundgang durch das Areal und den erklärenden Worten von Sulayman Sambou, entschließen wir uns, sämtliche Spendengüter (Trikots, Kleider, Spielsachen), die wir noch im Kofferraum herumfahren, den Verantwortlichen hier vor Ort zu übergeben. So haben wir ein gutes Gefühl, dass die Sachen gerecht verteilt werden.

Aufgeweckte Kinder

Liebevoll gestaltete Klassenzimmer 

Aufklärungsmaterial


Anschließend fahren wir weiter zur Kobisala Grundschule, die Kindern in Banjul neben der englischen Sprache, die hier für einen beruflichen Werdegang unumgänglich ist, auch das Rechnen sowie grundlegende gesellschaftliche und wirtschaftliche Umgangsformen beibringt. Beispielsweise lernen die Kinder hier, wie man eine Geschäftsidee entwickelt und daraus einen Business Plan ableitet. Und vor allem werden sie sexuell aufgeklärt, was hier bereits in frühen Jahren notwendig ist. Denn Sextourismus, ungewollte Schwangerschaften und Geschlechtskrankheiten stehen in Gambia auf der Tagesordnung und machen leider auch vor Kindern nicht Halt.


Die Versteigerung

Am 3. Dezember treffen wir uns alle vor dem Independance Stadium in Banjul. Denn heute ist der große Tag. Die Versteigerung. Bei brütenden 38° Celsius warten wir darauf, dass unser Wagen vorgeführt wird. Im Vorfeld bekommen die Bieter die Chance, die Fahrzeuge zu begutachten. Tja, Autoverkäufer müsste man sein. Dann würden wir nämlich nicht nur beim jüngeren Publikum das Interesse wecken, sondern auch beim Zahlungskräftigen. Was auf der gesamten Reise immer wieder ein gesprächsinduzierendes Element war, ist am Ende leider nicht verkaufsfördernd. Gemeint sind die ca. 2.000 Sticker, die kreuz und quer auf der Karosserie kleben und den Betrachter vor dem krebserregenden Blick auf die Originallackierung schützen.

Die Ersatzreifen haben wir anderweitig verwendet

Die Stunde der Wahrheit
51.000 Dalasi, das sind umgerechnet etwa 900 Euro, bekommen wir bzw. die DBO für den Wagen. Das ist weniger als ich gedacht oder erhofft hatte, aber immerhin besser als nichts. Den Spitzenpreis von 300.000 Dalasi hat ein Kia Sorento abgeräumt, gefolgt von 190.000 Dalasi für einen Toyota Yaris. SUVs und Kleinwagen sind also deutlich gefragter als Kombis. Das steht mal fest.

Und weil das für diesen Tag noch nicht genug Nervenkitzel war, gehen wir nach der Versteigerung noch zum Krokodilpetting im Kachikally Crocodile Pool nicht weit vom Stadion entfernt.

Na komm, du willst es doch auch!


Kunta Kinteh Island

Bevor wir wieder in den Flieger zurück nach Deutschland steigen, wollen wir noch ein wenig in die Geschichte des Landes eintauchen. Unsere Ersatzreifen, einen Werkzeugkoffer sowie einen Großteil unserer Campingausrüstung überlassen wir dem Consierge (Spitzname Pa) unseres Bungalowdorfs. Dafür organisiert er uns einen Ausflug nach Kunta Kinteh Island, was den kulturbeflissenen Lesern dieses Blogs möglicherweise ein Begriff ist. Kunta Kinteh ist die Hauptfigur aus dem Roman Roots von Alex Haley, ein Sklave, der im 18. Jh. von Sklavenfängern nach Amerika entführt wurde. Nach ihm wurde die kleine Insel (ehemals James Island) benannt, die sich im Flussdelta von Gambia befindet. Hier wurden Sklaven eingekerkert, um sie vor ihrer Abreise seelisch zu brechen und gefügig zu machen.

Bootsfahrt auf die Insel

Rückfahrt mit Safari-Feeling im offenen Land Rover
Leider ist von der Insel aufgrund der starken Erosion kaum noch etwas übrig. Auf einer Fläche, kaum größer als ein halbes Fußballfeld, stehen nur noch ein paar Grundmauern. Welche Schicksale sich hier vor mehr als 200 Jahren abgespielt haben, möchte man lieber nur erahnen.


Tag der Rückreise

Am Tag unseres Rückflugs sind wir noch bei Pa (unserem Consierge) zum Essen eingeladen. Seine Mutter hat für uns sein Leibgericht gekocht: Fisch mit Gemüse und einer üppigen Schale Reis und Garnelen. Definitiv zu viel für drei Personen und zu Beginn dachte ich noch, dass sich seine Familie gleich zu uns gesellen wird. Aber zum Einen man hält sich auch beim Essen an die traditionelle Geschlechtertrennung. Also waren die Damen des Hauses schon mal außen vor. Und zum Anderen wollte man uns den offenbar einzigen Esstisch des Hauses exklusiv anbieten. Also aßen wir mit Pa allein. So konnten wir zwar seine restliche Familie nicht näher kennenlernen, stattdessen aber seine Lebensgeschichte, die Umstände, unter denen er zu seiner Anstellung im Mango Village gekommen ist und welchen Lebenstraum er noch hat. Er möchte sich ein Geschäft als Zulieferer für Gastronomiebetriebe aufbauen. Dabei erfahren wir beiläufig, dass viele Konzepte im Mango Village, wie zum Beispiel die Fischzucht, seiner Feder entstammen. Ich bin gespannt, wie es mit ihm weitergeht.

Bevor ich das Blog für diese Rallye nun schließe, bekommt ihr noch ein paar letzte visuelle Eindrücke. Sobald auch unsere analogen Bilder entwickelt und gescannt worden sind, stellen wir das gesamte Album online.

Ich könnte vermutlich noch tagelang weiterschreiben, weil mir beim Lesen meines handschriftlichen Tagebuchs ständig Erlebnisse und Eindrücke wieder ins Bewusstsein rücken, die ich ohne meine Notizen längst vergessen hätte. In diesen drei Wochen ist einfach zu viel passiert. Vor den eigenen Augen und auch dahinter. Zu viel, um es in wenigen Worten wiedergeben zu können. Und manches...lässt sich gar nicht in Worten ausdrücken.

Danke!

P.S.: Suche Mitfahrer für die Mongol Rally 2018 :)

Irgendwo in Mauretanien

Richtung Nationalpark Djawling

Öffentlicher Nahverkehr in St. Louis

Rush Hour in St. Louis

Unbedingt hingehen, wenn ihr mal dort seid

Schlecker-Filiale in Westafrika

Kleiner Handyladen

Vorwahl +220, falls ihr reservieren möchtet

Wir hatten es zuerst für tot gehalten

Meerkatzen in Banjul

Auf dem Rückweg von Kunta Kinteh Island

Geschäftsviertel in Banjul 1

Geschäftsviertel in Banjul 2

Über den Wolken sieht die ganze Welt gleich aus

















Sonntag, 10. Dezember 2017

Mauretanien

Einreise nach Mauretanien

Am 22.11. um 8:26 Uhr morgens setzt sich unser Konvoi in Richtung Nouadhibou zum Grenzübertritt nach Mauretanien in Bewegung. Ab nun werden wir den Rest der Reise nur noch in dieser Formation zurücklegen, wodurch ein Teil des Rallye-Feelings leider verlorengeht. Zum Einen liegt das an den Sicherheitsanforderungen bei der Durchreise durch Mauretanien. Zum Anderen schlichtweg an der stellenweise sehr schwierigen Route. Um in der Wüste nicht verloren zu gehen oder entführt zu werden, erhalten wir für die Durchfahrt Begleitschutz vom mauretanischen Militär und auβerdem die Unterstützung durch drei Wüstenführer, ohne die man den Weg durch die Wüste kaum finden würde.

Ein Tag beim Zoll

Die Ausreise aus Marokko verlief sehr schnell und unkompliziert. Nachdem sich die ausgesprochen freundlichen Zollbeamten durch unsere mündliche Bestätigung davon überzeugt hatten, dass wir keine Waffen oder Drogen mit uns führen, lässt man uns mit dem Wagen aus dem Land. Merkwürdig fanden wir zuerst nur, dass das angrenzende Land (also Mauretanien) noch nichtmal in Sichtweite war und die Straβe trotzdem einfach aufhörte. Bis zur nächsten Grenze mussten wir also ein paar Kilometer Niemandsland durchqueren. Und zwar auf einem Untergrund, der nichtmal ansatzweise als Straβe bezeichnet werden kann. Zwischen beiden Ländern existiert nur ein Streifen Geröllwüste, der unseren überwiegend Nicht-Geländewagen einen Vorgeschmack auf die kommenden Tage gibt. Was wir zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich noch nicht wissen.

Das Warten lohnt sich

Am Grenzübergang angekommen beginnt der eigentlich anstrengende Teil des Tages. Nämlich bei steigenden Temperaturen auf die Ausstellung des Visums warten. Und zwar im Modus "Schlange an der Supermarktkasse" ohne die Option, eine weitere Kassiererin zu rufen. Jeder der ca. 80 Rallye-Teilnehmer wurde einzeln und hintereinander in einem Raum abgefertigt, der eher an einen Abstellraum für Sportmatten erinnerte. Das komplette Gegenteil vom Hi-Tech-Parkour in Tanger.

Einziger Trost: das Visum für Mauretanien ist im Gegenastz zu denen anderer Länder sehr dekorativ. Kein langweiliger, einfarbiger Stempel, sondern ein ganzseitiger Aufkleber mit Foto (von einem selbst natürlich) und vielen farbenfrohen Sicherheitsmerkmalen.

Während der ganzen Warterei mussten wir leider feststellen, dass unser Wagen die Stolperfahrt zwischen den Grenzen nicht ohne Blessuren überstanden hatte. Unser Treibstofftank tropfte, was insofern ungünstig ist, weil wir seinen Inhalt zum Weiterkommen benötigen. Gott sei Dank war es kein groβes Loch, sondern nur eine poröse Dichtung am oberen Teil des Tanks. Hieβ für uns: ab sofort nicht mehr volltanken.

Erstes Camp direkt hinter der Grenze

Die Zollabfertigung dauerte bis in die Nacht hinein und somit waren wir gezwungen, uns nur wenige Kilometer hinter der Grenze einen Platz zum Übernachten zu suchen. Wo genau konnten wir leider nicht erkennen, weil es erstens stockfinster und zweitens komplett vernebelt war. Letzteres ist für diesen Teil der Welt übrigens extrem selten, wie wir tagsdarauf beim morgentlichen Briefing erfuhren.

Nachtcamp direkt hinter der Grenze Mauretaniens

Nachdem wir unsere Fahrsicherheitshinweise vom Orga-Team erhalten und auch gleich wieder vergessen hatten, prüften wir nochmal die Menge ausgelaufenen Benzins und waren erleichtert, dass das Tropfen über Nacht aufgehört hatte. Außerdem lassen wir fast die ganze Luft aus den Reifen, um so viel Auflagefläche wie möglich zu erhalten.

Vollgas!

Jetzt mal Hände hoch, wer schon mal mit 100 Sachen durch die Wüste gebrettert ist.

Wusste ich es doch! Und was sich nach saumäβigem Spaβ anhört, ist es auch. Aber leider auch extrem leichtsinnig. Auf einer nahezu vollständig ebenen und festen Sandfläche, die so weit ist wie das Auge reicht, hat jeder nur noch eines im Sinn. Gas geben! Wer schon mal Mad Max gesehen hat, weiβ genau, wovon ich schreibe. Leider verlangt dieser Irrsinn seinen Tribut. Denn der Untergrund ist nur scheinbar plan. Hier und da gibt es Stellen, wo der Sand plötzlich weicher wird und die den Wagen kurz eintauchen lassen. Was problematisch wird, wenn sich (spitze) Steine darunter verbergen, die bei solchen Geschwindigkeiten zum Dosenöffner für Autos werden.

Hoffentlich blitzt hier keiner.

Unterbodenschutz für die Fahrzeuge ist somit Pflicht und mit unseren 5mm Stahlblech unter dem Bug waren wir bestens vorbereitet. Oder hatten einfach nur Schwein. Einige Fahrzeuge der anderen Teilnehmer hatte es übel erwischt. Da hätten wir einen zerfetzten Kühler, eine aufgeschlitzte Benzinleitung und eine gerissene Ölwanne. Bis hier hin schon mal keine positive Ökobilanz, was der gesamten Rallye (trotz des guten Zwecks) einen unschönen Makel verleiht.

Den Abend verbringen wir in der Nähe einen riesigen Düne, die (während der zunehmend kürzer werdenden Dämmerungsphasen) regelrecht dazu verpflichtet, noch schnell erklommen zu werden, um den malerischen Anblick unserer Wagenburg in der orangegefärbten Weite der Wüste zu genieβen.

Einige Teams stecken noch weiter hinten im Sand fest

Dabei können wir auch unseren Begleitschutz beim Relaxen beobachten. Ein Dutzend islamischer Rekruten mit olivefarbenen Uniformen, von denen übrigens keine denselben Farbton hat, schwarzen Stiefeln, um die sie sich vorbildlich kümmern, und Kalaschnikows, die sie permanent bei sich tragen, machen genau was am Abend? Genau! Selfies. Für lieben Verwandten und zahlreichen Freundinnen daheim.

Waschbretter

Am Folgetag (24.11.2017) machen wir gerade mal 70 km Strecke. Verglichen mit den 500-700 km, die wir bisher an einem Tag zurückgelegt haben, klingt das mager. Ist aber um einiges anstrengender. Für das Auto wie für die Passagiere.

Das liegt nicht nur an der extrem trockenen Hitze, bei der man nicht zu schwitzen scheint; was sich aber nur so anfühlt, denn der Schweiß vertrocknet einfach zu schnell. Es liegt vor allem an der (ständig wechselnden) Bodenbeschaffenheit. Befestigte Straßen werden wir erst am Tag der Ausreise wieder sehen. Bis dahin fahren wir über Sandpisten. Die können mal hart wie Beton sein. Oder weich wie Schlagsahne. Weite Abschnitte ist er mehrere cm tief gerippt wie ein Waschbrett. Wie gut, dass wir eh nie wirklich Lust hatten, den Wagen aufzuräumen. Denn nach einer Waschbretttour ist nicht nur der eigene Mageninhalt gut durchmischt, sondern auch der des Autos.

Waschbrett

Später stellen wir fest, dass man über diesen Untergrund besser schneller als langsamer fährt. Denn ab einer gewissen Geschwindigkeit gleiten die Reifen über die kleinen Täler einfach hinweg, was nicht nur die Stoßdämpfer schont, sondern auch die Ohren. Jetzt hören wir auch wieder was aus den Lautsprechern. Klingt wie Gimme Shelter von den Stones. Unsere Wüstenbewacher schießen währenddessen in stilechten Toyota Pickups an uns vorbei. Ihre Gesichter mit schwarzen Schals komplett vermummt. In welche Richtung man schaut. Filmreife Szenen überall.

Unsere Militäreskorte im Einsatz

Slingshots

Der 25.11.2017 beginnt um 8 Uhr mit Katapultschießen. Als Munition verwenden wir unsere Autos. Die Liste der dümmsten Dinge, die wir je im Leben gemacht haben, wird heute um einen neuen Eintrag bereichert.

Slingshots nennen wir jene Abschnitte, bei denen die Fahrzeuge einzeln durchgeschickt werden müssen, weil der Untergrund hier so weich und holprig ist, dass man einen gewissen Schwung braucht, um darüber hinwegzugleiten. Die Kunst bei diesen Abschnitten liegt darin, diesen Schwung nicht zu verlieren. Egal wie langsam man sich bewegt, man darf auf keinen Fall stehen bleiben. Denn wer einsandet und sich nicht selbst wieder befreien kann, hat in der Regel keine Überlebenschance und muss qualvoll verdursten. Oooder nimmt die Hilfe der anderen Teams an und akzeptiert einen Strich auf der sogenannten Einsandeliste. Tod oder ewiger Spott. Muss jeder selber wissen.

Schlagsahne

Wir bleiben nicht stecken. Nicht heute. Mit gemütlichen 30-40 km/h schiebt sich unser tiefergelegter Ford über 60 km über watteweichen Wüstensand. Hören dabei Concerts in China von Jean-Michel Jarre. Definitiv unsere musikalische Empfehlung für all jene, die auf der Suche nach ähnlichen Grenzerfahrungen sind.

Der bewölkte Himmer macht die Hitze erträglicher

Wir Kinder aus Nouamrhar

Gegen Mittag erreichen wir wieder den Strand. Ein Naturschutzgebiet, welches von angeschwemmtem Müll so stark belastet ist, dass ich mich frage, welche Natur hier eigentlich geschützt werden soll. Möglicherweise ja die Pelikane, die wir hier und da sichten. Der einzige schöne Anblick.

Irgendwo im Naturschutzgebiet

Ein paar km weiter fahren wir an einem Dorf (Nouamrhar wie ich später erfahre) vorbei und sehen zum ersten Mal Anzeichen von einheimischem Leben. Und zwar in Form bettelnder Kinder, die bei der Sichtung unseres über 40 Fahrzeuge starken Konvois von allen Seiten herangestürmt kommen. Das Dorf ist von Plastikmüll derart überhäuft, dass ich es zunächst gar nicht als solches erkannt habe. Dass Kinder hier leben und spielen, ist kaum vorstellbar.

Blick ins Wohnzimmer
Geschenke aus dem fahrenden Fahrzeug zu verteilen, ist uns untersagt worden, weil es für die Kinder sonst zu gefährlich wird. Warum das so ist, lernen wir schnell. Wird ein Fahrzeug nämlich als Spender identifiziert, spricht sich das (offenbar durch eine Art Gedankenübertragung) blitzschnell herum und das Auto wickelt sich auf magische Weise in einen Kokon aus lebenden Kindern ein. Und weil sich das Recht des Stärkeren (oder Lauteren) hier wohl auch schon herumgesprochen hat, nehmen die Kinder nicht automatisch Rücksicht aufeinander.

Einige Rallyeteilnehmer entscheiden sich, hier bereits einen Teil ihrer Mitbringsel zu verschenken. Bei einer Pause in der Nähe des Dorfs werden Spielsachen, Stifte und Kleider abgestellt und von unseren bewaffneten Begleitern verwahrt bis wir weiterfahren. Ohne handgreiflich oder aggressiv zu werden, geben sie den Kindern schnell zu verstehen, dass sie sich den Autos nicht nähern dürfen. Was auf den ersten Blick unmenschlich wirkt, hat aber Methode. Gibt man dem Fordern der Kindern sofort nach, akzeptieren sie diesen Lebensstil und erhalten keine Motivation, sich ihren Lebensunterhalt anders zu verdienen.

Wir verschenken später am Abend auch was. Und zwar die Box mit Jochens Kassetten, für die sich ein anderes Team brennend interessiert und tierisch freut. So haben wir auch jemanden glücklich gemacht.

Schäden und Verluste bisher

  • Kompressor defekt (ist für stark frequentiertes Sitzmöbelaufblasen bei 40° Celsius nicht gebaut)
  • Toms Fahrhandschuhe (vom Dach geweht)
  • zwei 15A Sicherungen durchgebrannt
  • Schloss unserer Heckklappe voll Sand und nur noch schwer zu öffnen
  • ein Kamerobjektiv zerkratzt
  • poröse Tankdichtung (siehe oben)
  • unser Küchenmesser ist weg
Was unser Unterbodenschutz alles aus der Wüste schaufelt...

Strand fällt aus

Für den Folgetag wäre nun die traditionelle Strandfahrt angesagt, die bei jeder Rallye ein kleines Highlight darstellt. Da der Strand (wie beim letzten Mal auch schon) nicht befahrbar ist, weil einfach zu schmal und zu steil, fahren wir auf der nahegelegenen Asphaltstraße bis kurz vor Nouakchott und schlagen unser Lager im Camping Oceanidis auf. Dort bekommen wir abends gegrilltes Hühnchen mit weichgekochtem Gemüse und Eierkuchen, die hier oft zusäzlich oder anstelle von Reis und Couscous gereicht werden. Einfach aber gut.

Orga-Team

Noch einfacher sind nur die sanitären Anlagen in diesem (nennen wir es) Ferienresort. Eine Toilette ohne fließendes Wasser für knapp 100 Leute, die gerade aus der Wüste kommen. Bei 36° Celsius. Da kehrt der ein oder andere dann spontan wieder zur Erleichterungsstrategie der letzten Tag zurück und geht mit Spaten und Zellstoff einfach irgendwo in den Sand.

Die befestigen Beduinenzelte am Strand sind zwar voller hüpfendes, fliegendes, krabbelndes oder kriechendes Kleinstgetier. Bieten aber morgens bei Sonnenaufgang einen vollkommen unverbauten Blick auf die meterhohen Wellen, die der Atlantik hier ohne Unterlass an den Strand prügelt. Like it.

Endlich wieder Burger und Betrüger

Der 27.11. ist als Ruhetag eingeplant. Was uns total anödet, weil wir eigentlich viel lieber fahren wollen. Aber wir haben nur deshalb ne große Klappe, weil an unserer Kiste nichts fehlt. Einige Teams brauchen den Tag, um schnell noch irgendwo ne passende Kupplung zu kaufen. Genauso gut könnte man bei uns daheim nach nem Flux Compensator fragen. Irgendwas bekommt man aber in jedem Fall zusammengedengelt. Der Erfindungsreichtum dieser Menschen ist angesichts der lebensbegleitenden Mangelwirtschaft derart gut trainiert, dass wirklich jedes Problem mit irgendeinem Provisorium gelöst werden kann. Und genau so wirkt auch jedes Ding in diesem Land. Alles wird gerade so gut repariert, dass es bis zum nächsten Weltuntergang hält.

Wir nutzen den Tag und geben Geld in einem kommerziell verbauten Vorort von Nouakchott aus. Cheeseburger (oder sowas in der Art) mit Pommes und eiskalter Coke. Genau das Richtige nach den Wüstentagen. In einem Supermarkt in der Nähe bekommen wir sogar Eis am Stil und frisches Obst.

Auf dem Rückweg wollen wir noch Tanken und geben damit den lokalen Kleinkriminellen eine Chance, ihr Können zu demonstrieren. Nachdem wir zuerst von einer Tankstelle zur nächsten geschickt werden, weil diese (angeblich) nur noch Diesel im Tank hatten, wurden wir bei der letzten Tankstelle freundlich in Empfang genommen. Wir machten ihm mit Französischfetzen und viel Lächeln klar, dass wir genau 30 Liter haben wollen (voll tanken konnten wir wegen des Lochs nicht mehr). Nach gefühlt 5 Minuten zeigte die Tankuhr 3,8 Liter und unser Tankwart wollte uns zu verstehen geben, dass er 30 Liter abgegeben hätte. Die Anzeige auf der Zapfsäule hatte er bereits wieder zurückgesetzt. Auch von dem Argument, dass unsere Tanknadel kein bisschen ausschlug, wenn wir die Zündung einschalteten, wollte er nichts hören. Erst als wir eine sich nähernde Gruppe polnischer Biker, offensichtlich auch Neukunden wie wir, vor der ihnen bevorstehenden Abzocke warnen, erklären sie sich bereit, uns den Rest des versprochenen Benzins in den Tank zu füllen.

Gibt leider doch nicht nur nette Menschen auf der Welt. Auf dem Campingplatz erfahren wir, dass wir nicht die einzigen Opfer waren. Die Veteranen unter den Rallye-Teilnehmern kannten die Masche bereits und erzählten von ähnlichen Begegnungen.

Fortsetzung folgt

Ich lass euch jetzt mit ein paar Bildern allein. Den nächsten und letzten Blog-Eintrag gibt es kommende Woche. Dann erfahrt ihr alles über die Route durch Senegal und Gambia, unsere Tage in Banjul, die Versteigerung und alle anderen nennenswerten Geschehnisse.


Da lachen sie noch

Esszimmer und Speisekammer

Ein mauretanisches Dorf

Gewohnter Blick aus dem Rückspiegel

Wir werden verfolgt

So wolkenfrei war es leider selten

LKWs voll mit Spendengütern

Weniger Luft, mehr Auflagefläche

In den Pausen gönnen wir dem Motor etwas Frischluft

Dromedare am Wegesrand


P.S.: Ein Großteil der Bilder wurde übrigens analog auf Film geschossen. Die Älteren werden sich erinnern. Es wird also ein paar Wochen dauern, bis wir euch ALLE Bilder der Reise zur Verfügung stellen können. Diese hier sind nur eine kleine Auswahl.