Dienstag, 21. November 2017

Vom Winde verweht

Salam Aleikum. Wir leben noch.

Am vergangenen Freitag hatten wir uns zuletzt aus Tazenakht gemeldet, wo wir die Nacht im schlechtesten Hotel aller Zeiten verbrachten durften. Für etwa 20 Euro bekamen wir ein eiskaltes Zimmer mit schmutzigen Betten und Blick aufs zwielichtige Nachtleben der desillusionierten Dorfjugend. Das Abendessen (ein auf landestypische Art fast schwarz gegrilltes Hühnchen mit Gemüse und Fladenbrot) bekamen wir bei einer der vielen Garküchen am Straßenrand. Zusammen mit bitterem Pfefferminztee, der bis zur Unkenntlichkeit gesüßt wird. Passte alles perfekt zur Atmosphäre. Staubiger Boden, Bettler, streunende Katzen und Hunde. Wäre irgendwie romantisch, wenn es nicht so traurig wäre.

Dein Freund und Helfer

Tagsüber wurden wir gleich drei mal von der Polizei gestoppt. Beim ersten mal wegen eines übersehenen Stopp-Schilds. Man muss wissen, dass Kontrollen durch die Verkehrspolizei in Marokko an der Tagesordnung stehen. Im Abstand von 50 bis 100 km, meist vor oder nach den Ortschaften, werden routinemäßige Fahrzeug- oder Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt. Nach wenigen Tagen mit dem Auto durch das Land, lernt man schnell, auf die kleinen verblichenen Straßenschilder, mit denen die Polizei hier und da den Wegesrand schmückt, genau zu achten. Man entwickelt hellseherische Fähigkeiten in dieser Hinsicht und ahnt die gesetzliche Wegelagerei irgendwann schon von Weitem.

Für das Stopp-Schild bekamen wir übrigens nur eine Verwarnung. Ihr wisst ja, wegen der Kinder. Bei der zweiten  Begegnung kamen wir nicht so leicht davon. 150 Dirham wegen 14 km/h zu viel auf dem Tacho. Die gnadenlos freundliche Polizistin, die uns mit ihrer Radarfalle von der Straße gelockt hat, ließ sich von unserer Geschichte leider nicht weichklopfen. Und beim dritten mal wollte man nur unsere Papiere sehen. So oft wie in dieser Woche musste ich im ganzen Leben noch nie meinen Ausweis vorzeigen.

Wir haben beschlossen, nun strenger nach den Vorschriften zu fahren. Nicht weil uns die Begegnungen mit den stets freundlichen und neugierigen Polizisten nicht gefallen würden. Sie kosten einfach Zeit. Zeit, die uns zum Fahren fehlt

Wieder unten

Am Samstag (18.11.2017) war Nationalfeiertag in Marokko, was die festlich geschmückten Promenaden in den Städten, die wir passiert haben, erklären würde. Ausgelassene Feierstimmung war dennoch nirgends zu sehen.

Die Hochebenen des Atlas haben wir jetzt vollständig hinter uns gelassen und sind in Tantan Playa angekommen. Sehen nun immer häufiger Sanddünen am Straßenrand vorbeiziehen. Die Temperaturen steigen tagsüber auf deutlich über 20° Celsius. Und uns fällt das erste mal auf, dass es Abends sehr schnell dunkel wird. Viel Zeit in der Dämmerung kann man also nicht verbringen, was die nutzbare Tageszeit spürbar verknappt.

Die Städte am Küstenrand des Landes wirken übrigens überwiegend sauberer und aufgeräumter als die sichtbar ärmeren Dörfer der Hochebene.

Heute musste der Wagen auch erste Schotterpisten aushalten. Ihr habt ja keine Ahnung, was Stoßdämpfer leisten können. Löcher, bei denen man in Deutschland selbst mit 20 km/h die Zähne zusammenbeißt, nimmt man schon bald mit 50, 60, 70 oder 80 Sachen. Denn sonst ist der Zeitplan schlicht nicht zu halten.

Die Nacht konnten wir wieder in sauberen Betten verbringen. Und zwar im Hotel Canarias am Strand von Tantan, welches wir nur wärmstens empfehlen können. Gastfreundliche Leute und tolles Frühstück.
Hotel Canarias Sahara

Gone south

Sonntag dann immer weiter Richtung Süden. Es wird trockener und heißer. Außerdem bläst der Wind unnachlässig vom Meer herüber. Haben uns entschieden, irgendwo im Niemandsland zu halten und im Wagen zu übernachten.

Spaghetti und Tomatensoße bei solchen Winden zu kochen, ist eine Herausforderung für sich. Vor allem, wenn es halb sieben praktisch schon finster ist. Waren aber trotzdem total lecker.

Unterwegs machen wir Rast in einem Hafenstädtchen hinter Laayoune und besorgen uns traditionelle Schals, wie sie die Touareg in der Wüste als Kopfschutz vor Wind und Hitze tragen. Leider haben wir noch keinen blassen Schimmer, wie man sie bindet. Aber dafür haben wir neue Freunde, die so nett waren, uns zu den passenden Boutiquen zu führen und ein wenig zu dolmetschen. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen ist beispielhaft.

Dakhla

Am nächsten Morgen brechen wir zum Pflichttreffpunkt nach Dakhla (gesprochen Dachla) auf und treffen unterwegs auf andere Rallyeteilnehmer. Sobald wir welche von uns am Straßenrand sehen, halten wir an und bieten Hilfe an. Nicht, dass wir viel ausrichten könnten, aber so macht man das nunmal.

Auf dem Weg nach Dakhla rasten wir in Boujdour und stopfen wieder gegrilltes Hühnchen mit Pommes in uns rein. Treffen dabei auf Falk vom Orga-Team und schwärmen ihm von unserer Atlas-Fahrt vor. Später werden wir ihn wieder auf der Route nach Dakhla wiedertreffen.

Die Straßenränder sind vom Müll gesäumt, der aus den Städten vom Wind überall im Land verteilt wird. Ein Makel, der das ansonsten wunderschöne Land sehr trübt.

Dakhla ist übrigens ein Paradies für Kite Surfer. Bevor man die Stadt über die einzige Zugangsstraße erreicht, passiert man eine riesige Lagune mit ganz flachem Wasser, durch welche 360 Tage im Jahr der Wind durchpfeift. Vermutlich kann sich Dakhla nur wegen der vielen Surftouristen überhaupt einen eigenen Flughafen leisten.

Den heutigen Tag (21.11.2017) haben wir zur Ruhe genutzt und letzte Checks für die Einreise nach Mauretanien und die anschließende Durchquerung der Westsahara durchgeführt. Außerdem haben wir uns noch traditionelle Roben gekauft (einen sog. Kaftan) und gelernt, wie man sich den sechs Meter langen Toureg-Schal (den Cheich) um die Birne wickelt. Sieht cool aus und wirkt perfekt gegen die Hitze und den Wüstenwind. Die Einheimischen müssen es ja schließlich wissen.

Außerdem haben wir damit begonnen, uns an die tägliche Menge Wasser (nämlich 6 Liter) zu gewöhnen, die wir bei diesem Klima trinken müssen. Was das Trinken quasi zur allgegenwärtigen Tagesbeschäftigung macht. Egal wohin man geht, man trägt fortan permanent eine Flasche Wasser bei sich. Oder eine Dose Bier. So hat man auch gleich die Hälfte vom Mittagessen dabei.


Morgen früh brechen wir nach Mauretanien auf und freuen uns auf einen Tag am Zoll bei knapp 40° Celsius. Ab dann haben wir für die kommenden fünf Tage kein Netz mehr. Solange gibt es dann erstmal keine Bilder und keine Nachrichten mehr von uns. Aber wir sind zuversichtlich, dass der Wagen durhhält. Macht euch also keine Sorgen.

Wir lesen uns!

Gastraum der Herberge Kasbah Hotel Jurassique

Routinechecks vor jeder Abreise
Starker Pfefferminztee Abends in Tazenakht



Vielleicht eine Schule?

Ohne Worte 1

Ohne Worte 2

Wir fürchten die Dämmerungsfahrten

Dromedare auf der Straße sind ganz normal

Ohne Worte 3

Ohne Worte 4



2 Kommentare:

  1. Ich lese seit heute mit und bin schwer begeistert, da ich mich an die eigene - wenn auch sehr andere - Reise mit Blog erinnert fühle. Ich freu mich auf weitere Einträge und drücke die Daumen, dass alles gut geht und Abenteuer vs. Sicherheit/Komfort im richtigen Verhältnis zueinander bleiben!

    Viele Grüße von Carsten Purschke

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